folgt: 6.7 Längenmaße hinauf: 6. Turbulenz in stabil vorher: 6.5 REYNOLDS-Spannungen


6.6 Dimensionslose Kennzahlen

Im vorangegangenen Abschnitt 6.5 wurde der Einfluss der Dichteschichtung auf die Turbulenz anhand einer qualitativen Diskussion der Gl. (6.13) und der Gl. (6.15) beschrieben. Durch Einführung der Flux-RICHARDSON-Zahl und der turbulenten FROUDE-Zahl soll hier nun versucht werden, diesen Einfluss zu quantifizieren. Desweiteren wird hier die turbulente REYNOLDS-Zahl als Maß für die ungeschichtete Turbulenz eingeführt.

ABRAHAM [1] diskutiert dazu eine Strömung in flachen Oberflächengewässern6.10, die sich in einem lokalen Gleichgewicht6.11 befindet. Es ergibt sich aus der Bilanz der turbulenten Energie Gl. (6.15), dass die Menge an turbulenter Energie, welche die mittlere Scherung produziert, von der Dissipation und der Dichteschichtung verbraucht wird. Die von ABRAHAM wiedergegebene Überlegung besagt nun: Wenn der Verbrauch von turbulenter Energie infolge Dichteschichtung größer als die Produktion ist, kann Turbulenz nicht mehr existieren. Daher bildet [1] folgende Flux-RICHARDSON-Zahl
\begin{displaymath}
Ri_{f}=\frac{g}{\rho }
\frac{
\overline{v_{3}^{\prime} c^{\p...
...l \overline{v_{1}} / \partial x_{3} \right)
} \qquad \mbox{,}
\end{displaymath} (6.16)



die den Energieverbrauch durch Dichteschichtung zur Produktionsrate ins Verhältnis setzt. Das von [1] angegebene Existenzkriterium besagt, dass
\begin{displaymath}
Ri_{f} < 1
\end{displaymath} (6.17)

sein muss.

Es läßt sich nun ein Zusammenhang zur Gradient-RICHARDSON-Zahl \(Ri_{g}\), Gl. (6.9), herstellen. Im vorangegangenen Abschnitt 6.5 wurde erläutert, warum es plausibel ist, anzunehmen, dass der turbulente Konzentrationsfluss6.12 dem Gradienten der mittleren Konzentrationsverteilung entgegengesetzt ist. Als erste Näherung wird daher eine Proportionalität angenommen. Solche Wirbelviskositätsmodelle sind in Gl. (2.6) und in Gl. (2.10) bereits erwähnt worden und werden in Kapitel 7 noch eingehender besprochen. Damit werden nun folgende Ersetzungen möglich:

\begin{displaymath}-\overline{v_{3}^{\prime} c^{\prime}}
\left(\rho_{s}-\rho_{w}...
...)=
D_{t}\left(\partial \overline{\rho} / \partial x_{3}\right)
\end{displaymath}

und

\begin{displaymath}-\overline{ v_{1}^{\prime} v_{3}^{\prime}} =
\nu_{t} \left(\p...
...al \overline{v_{1}} / \partial x_{3} \right)
\qquad \mbox{.}
\end{displaymath}

Nach Einsetzen ergibt sich:

\begin{displaymath}
Ri_{f} = \frac{D_{t}}{\nu_{t} } \cdot \frac{-g}{\rho } \cdo...
...\overline{v_{1}} / \partial x_{3} \right)^2 }
\qquad \mbox{.}
\end{displaymath}

Verkürzt kann geschrieben werden:
\begin{displaymath}
Ri_{f}=\frac{1}{Sc_{t}} \cdot Ri_{g}
\end{displaymath} (6.18)

mit
\(D_{t}\) turbulenter Massendiffusionsparameter,
\(\nu_{t}\) Wirbelviskosität und
\(Sc_{t}\) turbulente SCHMIDT-Zahl.


Messungen von \(Sc_{t}\) ergeben Werte zwischen 0,7 und 1,0 [1]. In der Natur beobachtbare Werte von \(Ri_{f}\) liegen unter 0,3 [1], [9] und [53]. Somit ist die Grenze von \(Ri_{g}=0,25\) nicht nur ein Stabilitätskriterium (siehe Abschnitt 6.3), sondern stellt auch einen Anhaltspunkt dafür dar, unter welchen Bedingungen die Turbulenz wieder abklingt.

Warum realistische Werte von \(Ri_{f}\) unter 0.3 liegen und das theoretische Maximum von 1,0 nie erreicht wird, lässt sich damit erkären, dass die Dissipation in einer turbulenten Strömung nie zum Erliegen kommt und immer mehr Energie verbraucht als die Dichteschichtung. Die Flux-RICHARDSON-Zahl ist nämlich auch als Mischungseffizienz deutbar und wird daher von IVEY und IMBERGER [53] als Verhältnis von Energieverbrauch infolge Dichteschichtung zum gesamten Energieverbrauch durch Dichteschichtung plus Dissipation angeschrieben6.13:
\begin{displaymath}
Ri_{f}=\frac{B}{B + \epsilon }
\end{displaymath} (6.19)

mit
\(B\) Energieverbrauch durch Dichteschichtung (Buoyancy) und
\(\epsilon\) Dissipation.


Es bleibt festzuhalten, dass nie mehr als 30% der turbulenten kinetischen Energie durch Massentransport in potentielle Energie umgewandelt wird. Der Rest wird von der Dissipation in Wärme umgesetzt.

Wann nun welche Mischungseffizienz auftritt, ist nach [9], [52] und [53] von der turbulenten FROUDE-Zahl
\begin{displaymath}
Fr_{t}=\frac{v_{t}}{N \cdot L_{t} }
\end{displaymath} (6.20)

mit
\(Fr_{t}\) turbulente FROUDE-Zahl,
\(v_{t}\) charakteristische Geschwindigkeit der Turbulenz,
\(L_{t}\) Makro-Länge,
\(N\) BRUNT-VÄISÄLÄÄ Frequenz Gl. (6.8),


abhängig. \(v_{t}\) berechnet sich als rms6.14 der turbulenten Geschwindigkeits-Fluktuationen \( v_{t}=\sqrt{\overline{v_{i}^{\prime 2}} }
\) und steht dadurch im engen Bezug zur turbulenten kinetischen Energie, s. Gl. (7.6). Die Herleitung der Makro-Länge \(L_{t}\), die ROTTA [106] angibt, führt durch Bildung der Raumkorrelation zweier Geschwindigkeitsfluktuationen auf einen Tensor dritter Stufe. Die Verwendung einer skalaren Größe für die Abmessung der großen Wirbel stellt somit eine einschränkende Annahme dar. IVEY und IMBERGER [53] benutzen ein Verfahren, die Makro-Länge aus dem Vertikalprofil der Dichteschwankungen zu ermitteln.

Das Verhältnis der Geschwindigkeit der turbulenten Schwankung zur turbulenten Längenskala ist nun auch als turbulente Frequenz
\begin{displaymath}
\omega_{t}=\frac{v_{t}}{L_{t}}
\end{displaymath} (6.21)

deutbar und repräsentiert die Drehzahl der die Mischung hervorrufenden großen Wirbel. Die turbulente FROUDE-Zahl ist also das Verhältnis der Frequenz der Turbulenz \(\omega_{t}\) zur Frequenz der Dichteschichtung, der BRUNT-VÄISÄLÄÄ-Frequenz \(N\):
\begin{displaymath}
Fr_{t}=\frac{\omega_{t}}{N}
\end{displaymath} (6.22)



Mit zunehmendem Dichtegradienten wird die BRUNT-VÄISÄLÄÄ-Frequenz größer und damit die turbulente FROUDE-Zahl kleiner. Große turbulente FROUDE-Zahlen repräsentieren schwach geschichtete Fluide. Bild 7 ist aus [53] entnommen und zeigt den Verlauf von \(Rf\) über \(Fr_{t}\). Bei großer \(Fr_{t}\) geht die Kurve asymtotisch gegen Null. D. h., bei abnehmender Dichteschichtung geht auch die Mischungseffizienz zurück. Es ist also nicht genug Stoff vorhanden, der gemischt werden könnte. Bei \(Fr_{t}\) ca. 1,0 erreicht die Mischungseffizienz \(Rf\) ein Maximum, um bei weiterer Abnahme steil abzufallen. Wenn also die Dichteschichtung zu stark wird, kollabiert jegliche Mischungsaktivität. BRIGGS et al. [9] skalieren beide Kennzahlen mit Maßen für die Anisotropie und finden in unterschiedlich stark anisotroper Turbulenz den Zusammenhang zwichen \(Ri_{f}\) und \(Fr_{t}\) auch quantitativ bestätigt.

Als Maß dafür, wie stark die Viskosität und damit die Dissipation auf die Turbulenz Einfluss nimmt, wird die turbulente REYNOLDS-Zahl, die von der Dichteschichtung unabhängig ist, gebildet:
\begin{displaymath}
Re_{t}=\frac{v_{t} \cdot L_{t}}{ \nu }
\end{displaymath} (6.23)

mit
\(\nu\) kinematische Viskosität.

folgt: 6.7 Längenmaße hinauf: 6. Turbulenz in stabil vorher: 6.5 REYNOLDS-Spannungen

Jens WYRWA * 2003-11-05