folgt: 6.9 Relativbewegung zwischen Feststoff hinauf: 6. Turbulenz in stabil vorher: 6.7 Längenmaße


6.8 MONIN-OBUKHOV-Ähnlichkeit

Die auf MONIN und OBUKHOV[82] zurückgehende Ähnlichkeitshypothese befasst sich mit dem wandnahen vollturbulenten Bereich von stabil dichtegeschichteten Gleichdruckgrenzschichten, also jenem Bereich, der in ungeschichteten Grenzschichten mit dem logarithmischen Wandgesetz, Gl. (2.1), beschrieben wird. Bei dieser Ähnlichkeitstheorie wird nun nicht nur die turbulente Schubspannung als konstant angesetzt, sondern auch der turbulente Konzentrationsfluss6.16.

Die MONIN-OBUKHOV-Stabilitätslänge berechnet sich nach TURNER [131] wie folgt:
\begin{displaymath}
L_{m}= \frac{v_{\tau}^{3}}
{\kappa \cdot \left(-B\right) }
\end{displaymath} (6.29)

mit
\(v_{\tau}\) Schubspannungsgeschwindigkeit \( \sqrt{\frac{\tau_{b}}{\rho_{0}} } \),
\(\tau_{b}\) Wandschubspannung (border),
\(\kappa\) KARMAN-Konstante,
B Buoyancy-Flux \(-\frac{g}{\rho_{0}} \cdot \overline{ \rho^{\prime} v_{3}^{\prime} }\),
\(g \) Fallbeschleunigung,
\(\rho_{0}\) mittlere Dichte des betrachteten Bereichs und
\(\overline{ \rho^{\prime} v_{3}^{\prime} }\) turbulenter Massenstrom entgegen der Fallbeschleunigung.


Mit der Länge \(L_{m}\) ist es möglich, den Wandabstand dimensionslos zu machen. Die MONIN-OBUKHOV-Ähnlichkeitshypothese erlaubt es dann, den dimensionslos gemachten Geschwindigkeitsgradienten als Funktion dieses dimensionslosen Wandabstandes anzugeben:
\begin{displaymath}
\frac{\kappa \cdot z}{v_{\tau}} \cdot \frac{\partial v }{\partial z }
=\Phi_{M}\left( \frac{z}{L_{m}} \right)
\end{displaymath} (6.30)

mit
\(z\) Wandabstand entgegen der Fallbeschleunigung, entspricht \(x_{3}\).


Über die Gestalt der \(\Phi_{M}\)-Funktion macht die MONIN-OBUKHOV-Ähnlichkeitstheorie allerdings keine Aussagen. Diese Funktionen6.17müssen experimentell ermittelt werden.

Laut KERRUTH [58] wird die Gültigkeit der MONIN-OBUKHOV-Ähnlichkeitshypothese von einer ganzen Reihe von Forschern bei Messungen im Labor und in der Natur bestätigt. Im Folgenden wird hauptsächlich auf die Messergebnisse von WIER und RÖMER [140] sowie PLATE und LIN [95] Bezug genommen.

Für ungeschichtete Strömungen geht die Stabilitätslänge \(L_{m}\) gegen Unendlich und der dimensionslose Wandabstand bleibt bei 0 stehen. In diesem Fall ist \(\Phi_{M}\) konstant 1, so dass sich durch Einsetzen in Gl. (6.30) das logarithmische Wandgesetz, s. Gl. (2.1), ergibt.

Für schwache Schichtungen lassen sich die \(\Phi\)-Funktionen als TAYLOR-Reihe entwickeln, die nach dem ersten Glied abgebrochen wird:
\begin{displaymath}
\Phi_{M}=\left( 1 + \alpha \frac{z}{L_{m}} \right)
\end{displaymath} (6.31)

mit
\(\alpha\) empirische Konstante.


Die Messungen von [140] und [95] ergeben für \(\alpha\) einen Wert von 7. Wird nun Gl.(6.31) in Gl. (6.30) eingesetzt, ergibt sich das logarithmisch-lineare Geschwindigkeitsprofil:
\begin{displaymath}
\frac{v}{v_{\tau}} = \frac{1}{\kappa}
\ln \left( \frac{z}{z_{0}} \right) + \alpha \frac{z}{L_{m}}
\end{displaymath} (6.32)

mit
\(z_{0}\) Integrationskonstante.


Die Übereinstimmungen zwischen den gemessenen Geschwindigkeiten und dem logarithmisch-linearen Geschwindigkeitsprofil wird von [140] als hervorragend bezeichnet.

Die von [140] untersuchten Grenzschichten über einer gekühlten Windkanalsohle weisen Stabilitätslängen von bis zu 1,4 m auf. In ihren Messungen erreicht der dimensionslose Wandabstand \(\frac{z}{L_{m}}\) Werte bis zu 0,2. In den Messungen von [95] erreichen die Stabilitätslängen \(L_{m}\) Werte von bis zu 4,15 m, und der dimensionslose Wandabstand \(\frac{z}{L_{m}}\) Werte bis zu 0,3. Da die \(\Phi\)-Funktionen für die o.g. Wandgrenzschichten bekannt sind, lassen sich Geschwindigkeits- und Dichtegradienten ermitteln und daraus die Gradient-RICHARDSON-Zahl, s. Gl. (6.9), berechnen (siehe [140]). In Bild 8 ist die Gradient-RICHARDSON-Zahl in Abhängigkeit von dem mit der MONIN-OBUKHOV-Stabilitätslänge \(L_{m}\) dimensionslos gemachten Wandabstand z aufgetragen. Daraus ist nun zweierlei ersichtlich: Einerseits nimmt der Dichteschichtungseinfluss mit zunehmendem Wandabstand zum oberen Rand der logarithmischen Schicht hin zu. Auch die Mischungsweglänge, ergo die Größe der Impuls übertragenden Wirbel, nimmt mit zunehmendem Wandabstand zu. Daran sieht man, wie auch schon im Zusammenhang mit der Diskussion der OZMIDOV-Länge im Abschnitt 6.7, dass die Dichteschichtung die großskaligen turbulenten Bewegungen stärker dämpft. Andererseits lässt sich aus Bild 8 ablesen, dass in den o. g. Messungen die Gradient-RICHARDSON-Zahlen Werte von bis zu 0.113 ([140]) und 0.138 ([95]) erreichen.

Im Folgenden wird nun das Beispiel aus dem Abschnitt 5.6 wieder aufgegriffen, bei dem in Anlehnung an die Messungen von [39] angenommen wird, dass in der Fahrrinne eines Ästuars 10 m Wassertiefe und 0.8 m/s Fließgeschwindigkeit (1 m über Grund) eine typische Situation im voll ausgeprägten Tidestrom darstellen. Der von [133] angegebene Reibungsbeiwert führt auf Sohlschubspannungen von 1,152 \(\frac{N}{m^{2}}\), was einer äquivalenten Sandrauheit von 2,1 mm entspricht. Damit ist die Strömung im vollkommen rauen Bereich6.18. Als kritische Erosions-Schubspannung wird, basierend auf den Angaben von [133], ein Interval zwischen 0,1 und 0,5 \(\frac{N}{m^{2}}\) angesetzt. Mit der von [75] verwendeten Erodibilitätskonstanten von 0,735 \(\frac{g}{m^{2} \cdot s}\) ergeben sich aus Gl. (5.2) Massenströme von 7,732 bis 1,693 \(\frac{g}{m^{2} \cdot s}\). Daraus resultieren dann gemäß Gl. (6.29) Stabilitätslängen \(L_{m}\) von 1,3 m bis 5,8 m. Bild 9 stellt das logarithmische Geschwindigkeitsprofil dem logarithmisch-linearen mit \(L_{m}=5,8 m\) gegenüber. Es wurden beide Geschwindigkeitsprofile mit der gleichen Schubspannungsgeschwindigkeit \(v_{\tau}\) berechnet, so dass das logarithmisch-lineare Profil größere Geschwindigkeiten als das logarithmische Geschwindigkeitsprofil ergibt. Würde hingegen der Durchfluss oder die Geschwindigkeit in einer bestimmten Tiefe konstant gehalten, führt die im logarithmisch-linearen Geschwindigkeitsprofil zum Ausdruck kommende Dichteschichtung zu einem Abfall der Sohlschubspannung.

Laut NEZU und NAKAGAWA [89] endet der logarithmische Bereich in Gerinneströmungen bei \(z \le 0,2 \cdot h\) mit h Wassertiefe. Im o. g. Beispiel reicht der logarithmische Bereich also hinauf bis 2 m Sohlabstand. Dort ergibt sich für die kritische Erosionsspannung von \(\tau_{e}=0,1 \frac{N}{m^{2}}\) der dimensionslose Wandabstand \(\frac{z=2 m}{L_{m}}=1,58\) und für die kritische Erosionsspannung von \(\tau_{e}=0,5 \frac{N}{m^{2}}\) der dimensionslose Wandabstand \(\frac{z=2 m}{L_{m}}=0,347\). Der durch die Messungen von [140] und [95] abgesicherte Gültigkeitsbereich von Gl. (6.32) wird in Strömungen, die bei der Erosion kohäsiver Sedimente in Ästuaren typisch sind, überschritten. Dies ist ein Indiz dafür, dass der in Abschnitt 3 diskutierte Turbulenzkollaps im Ästuar auftreten könnte. Im Rahmen der MONIN-OBUKHOV-Ähnlichkeitshypothese ist aber ein Turbulenzkollaps nicht darstellbar, da sich die Hypothese auf Gleichgewichts-Grenzschichten bezieht. Im Kollapsprozess ist aber sowohl die Gleichgewichtsannahme6.19als auch die Grenzschichtannahme6.20verletzt.

Von MOREL [84] wurden stabil dichtegeschichtete Gleichgewichtsgrenzschichten experimentell untersucht, bei denen der dimensionslose Wandabstand bei 20% der Grenzschichtdicke \(\frac{0.2 \cdot \delta}{L_{m}}\) Werte von 0,22 bis 0,43 erreicht. Leider sind die Geschwindigkeitsprofile auch nachträglich nicht in Hinblick auf Gl. (6.32) auswertbar. Die Übereinstimmung zwischen den Angaben zum Verlauf der Gradient-RICHARDSON-Zahl über dem Wandabstand und dem in Bild 8 gezeigten Zusammenhang lassen die Anwendung der in Gl. (6.31) zum Ausdruck kommenden Näherung plausibel erscheinen. Messungen an noch stärker dichtegeschichteten Grenzschichten wurden z.B. von OHYA [91] durchgeführt. Im hiesigen Kontext ist ihre Verwendung problematisch, weil die Angabe des Verfahrens der Bestimmung der Wandschubspannung fehlt. Der dimensionslose Wandabstand bei 20% der Grenzschichtdicke liegt in den Messungen von [91] zwischen 0,36 und 12,7. Da der Veröffentlichung einzelne Messwerte der Geschwindigkeit nicht entnehmbar sind, wird auf die Angabe der Gradient-RICHARDSON-Zahl über dem Wandabstand zurückgegiffen, die bei den starken Schichtungen so signifikant von dem in Bild 8 gezeigten Verlauf abweicht, dass klar wird, dass der Geltungsbereich von Gl. (6.31) verlassen wurde. Alle von [91] untersuchten Strömungen zeigen eindeutig eine turbulente Grenzschicht. Da aber nur entlang einer Vertikalen Messungen gemacht worden sind, ist unklar, ob es sich noch um Gleichgewichtsgrenzschichten handelt oder ob sich die Turbulenz schon im Kollaps-Vorgang befunden hat. NICHOLL [87] hat das Kollabieren von Turbulenz in Grenzschichten unter einer geheizten Windkanaldecke beobachtet. Von seinen Experimenten wird die Annahme einer Gleichgewichtsgrenzschicht eindeutig verletzt. Eine Interpretation auf der Basis der MONIN-OBUKHOV-Ähnlichkeitshypothese ist daher nicht mehr sinnvoll.

Zum Verständnis, warum hier nur die unteren 20% der Wassertiefe einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden, sei angeführt: Um überhaupt die Diskussion des 3D Geschwindigkeitsfeldes auf eine Vertikale einzuengen, muss eine horizontale Gleichförmigkeit angesetzt werden. Während sich in den sohlnächsten Wasserschichten Änderungen der Wandschubspannung unmittelbar auswirken, gewinnen mit zunehmendem Sohlabstand konvektive Effekte an Bedeutung. Als Anhaltspunkt, wie weit die Strömung laufen muss, bis eine Änderung in der Sohlbeschaffenheit sich am oberen Rand der Schicht mit Gültigkeit des logarithmischen Wandgesetzes bemerkbar macht, sei auf die Lauflänge einer turbulenten Wandgrenzschicht zurückgegriffen. Dieser Rand liegt in obigem Beispiel bei 2 m Sohlabstand. Um eine Grenzschicht mit 0,8 m/s Außengeschwindigkeit auf 2 m Dicke anwachsen zu lassen, wird eine Lauflänge von 185 m benötigt6.21. Dies entspricht ungefähr der Fahrrinnenbreite im Weser-Ästuar. D. h. die Beschaffenheit des Ästuars ist nicht derart gleichförmig, als dass Aussagen über die Strömung, die sich aus der Diskussion von Vertikalprofilen gewinnen lassen, in Abständen von mehr als 20% der Wassertiefe noch zutreffend wären.
folgt: 6.9 Relativbewegung zwischen Feststoff hinauf: 6. Turbulenz in stabil vorher: 6.7 Längenmaße

Jens WYRWA * 2003-11-05