folgt: 9.4 Stabile Dichteschichtung hinauf: 9.3 Turbulenzmodell vorher: 9.3.4 Ebene Scherschicht


9.3.5 Zwischenfazit

Im Abschnitt 9.1 wird das Verfahren erläutert, die datentechnische Realisierung einzelner Komponenten anhand von zwei Beispielen zu überprüfen. Demnach kann das hier implementierte k-\(\epsilon\)-Modell als überprüft gelten. In der Testrechnung ,,iso`` in Abschnitt 9.3.1 ist ausschließlich die Dissipation aktiv, womit deren Realisierung überprüft ist. Die Berechnung ,,isocon`` in Abschnitt 9.3.1 testet die Dissipation und die Konvektion, womit die Realisierung der Konvektion geprüft ist. In Abschnitt 9.3.2 wird die Dissipation und Diffusion getestet. Dies führt zur Überprüfung der Diffusion. Bei der Berechnung des logarithmischen Wandgesetzes (Abschnitt 9.3.3) leisten die Produktion und die Dissipation (in der \(\epsilon\)-Gleichung auch die Diffusion) einen Beitrag. Dies verifiziert die datentechnische Realisierung der Produktion als letzter bisher noch ungeprüfter Komponente.

Als Besonderheit des numerischen Näherungsverfahrens muß die Notwendigkeit genannt werden, sehr kleine Zeitschritte zu verwenden, wenn die Dissipation ausreichend genau wiedergegeben werden soll, siehe Abschnitt 9.3.1. Die Besonderheiten bei der Berechnung der Konvektion, die im Abschnitt 9.2.7 diskutiert werden, gilt es auch beim Turbulenzmodell zu beachten.

Die hier durchgeführte Überprüfung von Software und numerischem Algorithmus ist anhand von Testrechnungen vorgenommen worden. Das Berechnungsprogramm fungiert dabei als Black Box. Damit ist das angewandte Verfahren auch zur Überprüfung von kommerziellen Programmen geeignet, deren Quellcode dem Benutzer nicht zugänglich ist.

Neben den datentechnischen und numerischen Aspekten erlaubt es der hier benutzte Satz an Testfällen , die Konstanten des k-\(\epsilon\)-Modells zu bestimmen. In der folgenden Tabelle sind die Standard-Konstanten nach [104] und [142], die Modell-Konstanten des RNG-Modells [150] (s. Kapitel 7) und die hier ermittelten Konstanten aufgeführt.
Tabelle 9.1: Konstanten des Turbulenzmodells
  \(c_{\mu}\) \(c_{\epsilon 1}\) \(c_{\epsilon 2}\) \(\sigma_{k}\) \(\sigma_{\epsilon}\) \(\kappa\)
Standard 0,09 1,44 1,92 1,0 1,3 0,433
RNG [150] 0,0837 1,063 1,7215 0,7179 0,7179 0,372
Hier für ebene Scherschicht 0,16 1,48 1,92 0,74 0,962 0,412
Hier für runden Freistrahl 0,06 1,20 1,92 0,74 0,962 0,412
           
Die Werte in der oben stehenden Tabelle kommen wie folgt zustande:
\(c_{\epsilon 2}\) bestimmt sich aus den Experimenten mit abklingender isotroper Turbulenz, s. Abschnitt 9.3.1. Der Wert für \(\sigma_{k}\) ergibt sich, wenn der Abklingexponent n = -2 als Messwert genommen wird (s. Abschnitt 9.3.2). Mit Hilfe der Bedingung von LELE [66] Gl.(9.20) berechnet sich dann \(\sigma_{\epsilon}\). Die Bestimmung der verbleibenden Konstanten \(c_{\mu}\) und \(c_{\epsilon 1}\) ist nicht unabhängig voneinander möglich. Ausgehend von der auf Messungen beruhenenden Angabe der KARMAN-Konstante \(\kappa\)=0,412 durch NEZU und NAKAGAWA [89], berechnet sich mit Gl. (9.26) die Konstante \(c_{\epsilon 1}\) in Abhängigkeit von \(c_{\mu}\). Insbesondere freie Scherschichten reagieren sensitiv auf die Konstante \(c_{\mu}\). In dieser Arbeit ist anhand der hier behandelten ebenen Scherschicht der Wert von \(c_{\mu}\) mit 0,16 rekalibriert worden. SANDERS et al. [109] behandeln einen runden Freistrahl. Für diese Situation ergibt die Rekalibrierung des k-\(\epsilon\)-Modells einen Wert für \(c_{\mu}\) von 0,06. WILCOX [143] trägt die Ausbreitungsraten verschiedener Turbulenzmodelle für verschiedene freie Scherschichten in folgender Tabelle zusammen:

Tabelle 9.2: Ausbreitungsraten freier Scherschichten [143]
Ausbreitungsrate k-\(\epsilon\) k-\(\omega\) LRR9.9 Messung
Ebene Scherschicht 0.098 0.103-0.141 0.104 0.115
Runder Freistrahl 0.120 0.073-0.371 0.135 0.086-0.095
       
Auch wenn, wie in Abschnitt 9.3.4 diskutiert, die Zahlenangaben für die gemessene Ausbreitungsrate der ebenen Scherschicht problematisch sind und die numerischen Ergebnisse für das k-\(\epsilon\)-Modell, die WILCOX [143] vorlegt, nicht nachvollziehbar sind, wird doch die Tendenz bestätigt, dass die Scherschichtbreite der ebenen Scherschicht vom k-\(\epsilon\)-Modell mit den Standard-Konstanten zu gering berechnet wird. Für die Tendenz des k-\(\epsilon\)-Modells, die Ausbreitungsrate des runden Freistrahls zu überschätzen, finden sich Angaben in der Literatur [109].

Daher werden in 9.2 zwei Wertepaare für \(c_{\mu}\) und \(c_{\epsilon 1}\) angegeben, einmal für die Rekalibrierung mit der ebenen Scherschicht und einmal für die Rekalibrierung mit dem runden Freistrahl.

Es existieren Vorschläge u.a. von RODI [104], die Konstante \(c_\mu\) als Funktion des Verhältnisses von Produktion zu Dissipation zu formulieren.

Der Wert für die KARMAN-Konstante \(\kappa\)=0,412 wird hier nicht weiter in Frage gestellt. Für Grenzschichtströmungen ist dieser Wert so gut experimentell bestätigt und für die Berechnung so zentral, dass z.B. UMLAUF [132] seine sämtlichen Turbulenzmodelle so rekalibriert, dass sie für \(\kappa\) den Wert 0,4 ergeben. YAKHOT und ORSZAG haben 1992 zusammen mit THANGAM, GATSKI und SPEZIALE eine Modifikation [149] ihres RNG-Modells veröffentlicht, das es ermöglicht, \(\kappa\)=0,4 einzuhalten.

Die Abweichungen zwischen den Werten für die Modell-Konstanten des k-\(\epsilon\)-Modells, die in obiger Tabelle auftauchen, sind insofern für die praktische Berechnungstätigkeit relevant, als sich in ihnen die vom Turbulenz-Modell zu erwartende Ungenauigkeit teilweise widerspiegelt. Auch wenn es nur mit gewissen Einschränkungen gelingen kann, die von einem Turbulenzmodell zu erwartenden Abweichungen von der Natur in einem Werte-Intervall seiner Modellkonstanten abzubilden, wäre doch der Nutzen für die Berechnungstätigkeit im Wasserbau erheblich. Die Validierung eines Modells lässt sich dann zumindest teilweise durch eine Sensitivitätsuntersuchung ersetzen. Aufgrund des chronischen Messwertemangels im Wasserbau ist eine Validierung nur in seltenen Ausnahmefällen möglich. Ein wissenschaftlich abgesichertes Verfahren, das eine Abgrenzung der Modell-Genauigkeit anhand einer Sensitivitätsuntersuchung erlaubt, wäre somit ein bedeutender technischer Fortschritt. Der Umfang der hier untersuchten Testfälle und die Praxisrelevanz der zum Vergleich herangezogenen Experimente erlaubt noch keine gesicherten Angaben zum Werte-Intervall, stellt aber einen ersten Schritt in diese Richtung dar.


folgt: 9.4 Stabile Dichteschichtung hinauf: 9.3 Turbulenzmodell vorher: 9.3.4 Ebene Scherschicht

Jens WYRWA * 2003-11-05