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3.1 Aussagen von WINTERWERP
Die Idee, dass in einer Strömung, die Schwebstoffe transportiert, die
Turbulenz vollständig kollabieren kann, wird von WINTERWERP
[142] ausgeführt. Er prognostiziert einen
vollständigen Turbulenzkollaps, wenn eine
Schwebstoff-Sättigungskonzentration überschritten wird.
Dieses Konzept einer Sättigungskonzentration
unterscheidet sich von der Gleichgewichts-Überlegung, die zum
Konzentrations-Profil (2.11) nach ROUSE führte.
Die Sinkgeschwindigkeit von kohäsiven Feinsedimenten ist in Suspensionen mit
hohen Konzentrationen geringer, als wenn die gleichen Partikel sich in einer
geringeren Konzentration im Wasser befänden. Es haben sich in solchen
hochkonzentrierten Suspensionen bereits große Flocken gebildet, welche den
Austausch behindern, d.h. das Wasser entweicht schlechter aus der dichten
Suspension. Dieser Effekt wird als ,,hindered settling`` bezeichnet. Bevor
diese HCMS (High Concentrated Mud Suspensions), wie WINTERWERP sohlnahe
Schichten mit hohen Sedimentkonzentrationen nennt, zur Gewässersohle werden,
an der sich Schubspannungen abstützen können, vergeht Zeit in der
Größenordnung einer Tideperiode. D.h. zuerst einmal sinken kohäsive Sedimente
in eine weiterhin fließfähige HCMS-Schicht ein - sie sind nicht schlagartig
Teil einer festen Wand.
An der Grenze zwischen HCMS-Schicht und dem
darüberliegenden Wasser mit geringer Konzentration ergibt sich ein starker
Dichtegradient. Es werden nahezu sprunghafte Veränderungen
der Dichte beobachtet, die als Lutoclinen3.1
bezeichnet werden. Dieser Dichtegradient dämpft die
Turbulenz. Das verringert nun wiederum die Fähigkeit, Sediment in der
darüberliegenden Wassersäule in Suspension zu halten. Dies ermöglicht
folgenden sich selbst verstärkenden Prozess: Je mehr Sediment heruntersinkt,
umso größer wird der Dichtegradient. Je größer der Dichtegradient wird, umso
stärker wird die Turbulenz bedämpft und je stärker die Turbulenz bedämpft
wird, umso mehr Sediment sinkt herab. WINTERWERP geht in [142] nun so weit, zu prognostizieren, dass dadurch die Turbulenz vollständig
kollabieren kann. Der Sedimentgehalt in der Wassersäule, ab dem dieser
vollständige Kollaps auftritt, wird von ihm als Sättigungskonzentration
bezeichnet.
Der Autor untermauert seine These
durch Berechnungen mit einem 1DV-Modell. Dies ist ein numerisches Modell, das
als einzige Dimension die Vertikale diskretisiert. In den horizontalen
Dimensionen wird Gleichförmigkeit vorausgesetzt. Angetrieben wird die
Strömung von einem Wasserspiegelgefälle. Er rechnet mit einer konstanten
Sinkgeschwindigkeit von 0,5 mm/s (also ohne hindered settling), 16 m
Wassertiefe und 0,2 m/s Fließgeschwindigkeit. Als Turbulenzmodell verwendet er
ein
-Modell, das die Turbulenzdämpfung infolge Dichteschichtung
berücksichtigt und eine SCHMIDT-Zahl von 0,7. Startbedingung ist eine
gleichmäßig über die Tiefe verteilte Konzentration.
WINTERWERP zeigt nun, dass sich bei einer
Startkonzentration von 0,023 g/l ein ROUSE-Profil ausbildet. Die Erhöhung
der Startkonzentration auf 0,024 g/l überschreitet die
Sättigungskonzentration und führt zum Kollaps.
Für die Anschauung ist es wichtig zu erwähnen, dass der
in [142]
prognostizierte Kollaps nicht plötzlich eintritt, sondern eine
relativ zur Tideperiode lange Zeit braucht. Er berechnet Zeiten von mehr als
1000 Minuten im übersättigten Fall, bis das Sediment komplett in Sohlnähe
zusammengefallen ist. Noch länger dauert es im andern Fall, bis sich das
Gleichgewichtsprofil vollständig ausgeformt hat. Das Sinken des Sediments
von der Wasseroberfläche bis zum Boden im stillstehenden Wasser würde bei der
angesetzten Wassertiefe und Sinkgeschwindigkeit 533 Minuten dauern. Die
von WINTERWERP angesetzten Zahlenwerte liegen im Rahmen dessen, was in
realen Ästuaren anzutreffen ist.
In einem weiteren numerischen Beispiel setzt WINTERWERP eine zeitliche
Verteilung der Geschwindigkeit an, so wie sie in der Tide vorkommt. Auch
in diesem Fall beobachtet er oberhalb einer Sättigungskonzentration einen
Kollaps. Dieser Zusammenbruch verteilt sich über drei Tideperioden.
Ein weiterer neuartiger Gedankengang aus der Arbeit von WINTERWERP
betrifft die Vorstellung, wie das
Wiedereinmischen von HCMS-Schichten in den Wasserkörper vor sich geht,
wenn die Strömung schneller wird.
Er zeigt, dass die Vorstellung, dass
das Sediment vom darüberfließenden Wasser aufgewirbelt wird, im Fall
eines Zweischichtensystems mit einer unten liegenden fließfähigen
HCMS-Schicht unzutreffend ist.
Der von der Tide hervorgerufene
Wasserspiegelgradient treibt beide Schichten in gleicher Weise vorwärts.
Nur die HCMS-Schicht reibt an der Sohle und wird turbulent. In Folge
des Dichtegradienten zwischen dem ,,klaren`` Wasser und der HCMS-Schicht
wird die Bewegung des klaren Wassers zwar schneller, aber nicht turbulent. Die
Vermischung geht dann von der Turbulenz in der HCMS-Schicht aus und nicht
umgekehrt.
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Jens WYRWA * 2003-11-05