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8.2.4 Horizontale Impulsdiffusion und numerische Stabilität

Die horizontale Reibung wird explizit diskretisiert, d. h. zur Berechnung der horizontalen Schubspannung werden die Geschwindigkeiten aus dem vorangegangenen Zeitschritt benutzt. Der in den Gln. (8.1) und (8.5) auftretende Reibungsterm \(f_h\) berechnet sich wie folgt:
\begin{displaymath}
f_h=\nu_t \cdot \frac{v_{p.k-1.l}-2v_{p.k-1}+v_{p.k-1.r}}
{\...
...{v_{p.k-1.a}-2v_{p.k-1}+v_{p.k-1.e}}
{\left(\Delta s\right)^2}
\end{displaymath} (8.8)

mit
\(\nu_t\) Wirbelviskosität,
\( v_{p.k-1} \) Geschwindigkeit auf der Kantenmitte,
\(v_{p.k-1.l},v_{p.k-1.r}\) Geschwindigkeiten links und rechts neben der Kante,
\(v_{p.k-1.a},v_{p.k-1.e}\) Geschwindigkeiten am Anfang und am Ende der Kante,
\(\Delta n\) Ortsschrittweite quer zur Kante,
\( \Delta s \) Kantenlänge, Ortsschrittweite längs zur Kante,
Indizes  
p parallel zur Kantenrichtung und
k-1 vorangegangener Zeitschritt.


Die von CASULLI und CATTANI [19] durchgeführte Stabilitätsuntersuchung ergibt, dass die horizontale Reibung die Stabilität des Verfahrens einschränkt. CASULLI und CATTANI können beweisen, dass die Zeitschrittweite \( \Delta t \) dem folgenden Stabilitätskriterium unterliegt:
\begin{displaymath}
\Delta t \le \left[ 2 \nu_t
\left( \frac{1}{\left(\Delta n\...
...t)^2}
+ \frac{1}{\left(\Delta s\right)^2} \right)\right]^{-1}
\end{displaymath} (8.9)



Zur Erläuterung sei das erste STOKES-Problem [111] bemüht: Dabei setzt sich in einem ruhenden Fluid eine unendlich lange Wand plötzlich mit einer konstanten Geschwindigkeit \(v_{Wand}\) in Wandlängsrichtung in Bewegung. Die Geschwindigkeit der Wand überträgt sich auf das Fluid ausschließlich durch Viskosität. Je größer die Viskosität, desto schneller breitet sich die Bewegung ins ruhende Fluid hinein aus. Die Dicke der von der Wandreibung mitgezogenen Fluidschicht berechnet sich zu [111]:
\begin{displaymath}
\delta_{0,01}=3,6 \cdot \sqrt{\nu t}
\end{displaymath} (8.10)

mit
\(\delta_{0,01}\) Dicke der mitgezogenen Fluidschicht,
  d. h. Wandabstand bei dem \(v=0,01 v_{Wand}\),
\(\nu\) Viskosität und
t Zeitdauer seit Beginn der Wandbewegung.


Bei einer expliziten Diskretisierung kann diese viskose Übertragung des Impuls in horizontaler Richtung in einem Zeitschritt jeweils nur eine Elementreihe voranschreiten. Ist die Ausbreitung schneller als es die Diskretisierung erlaubt, so tritt Instabilität auf.

Bei den Testrechnungen, die im Rahmen dieser Arbeit ausgeführt worden sind, hat sich die Gültigkeit des Stabilitätskriterium Gl. (8.9) bestätigt. Dieses hat sich zudem als sehr trennscharf herausgestellt. Der Zeitschritt lässt sich bis zum Erreichen der nach Gl. (8.9) maximal erlaubten Größe problemlos erhöhen, nach Überschreiten der Grenze tritt sofort Instabilität auf.

Wenn man nun mit einem Zeitschritt rechnen möchte, der größer ist als das Stabilitätskriterium Gl. (8.9) erlaubt, besteht entweder die Möglichkeit, die räumliche Diskretisierung zu vergröbern oder die horizontale Wirbelviskosität künstlich herabzusetzen. Beide Möglichkeiten können die Genauigkeit der Berechnungsergebnisse erheblich beeinträchtigen.

Wie restriktiv sich das Stabilitätskriterium Gl. (8.9) in der Berechnungspraxis auswirkt, wird an folgender Überschlagsrechnung ersichtlich: Wie bereits in Abschnitt 5.6 erläutert, stellt 0,034 m/s einen realistischen Wert für die Sohlschubspannungsgeschwindigkeit dar. Beim Mischungswegmodell Gl.(2.8) ergibt sich aus dem Zusammenhang zwischen Mischungsweglänge und Wirbelviskosität, Gl.(2.7), durch Einsetzen des logarithmischen Geschwindigkeitsprofils, Gl.(2.1), für eine Wassertiefe von 10 m eine maximale Wirbelviskosität von 0,0279 \(m^2/s\). Soll nun mit einem Zeitschritt von \(\Delta t=900 s \), d. h. von einer Viertelstunde, gerechnet werden, ist die minimal mögliche Ortsschrittweite \(\Delta n=\Delta s= 10\) m. Das Stabilitätskriterium Gl. (8.9) schränkt die Zeitschrittweite in Situationen, die für ein Ästuar typisch sind, erst dann nennenswert ein, wenn mit relativ feinen horizontalen Auflösungen gerechnet wird.


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Jens WYRWA * 2003-11-05