folgt: 5.5 Konsequenzen aus der hinauf: 5. Eigenschaften kohäsiver Sedimente vorher: 5.3 Rheologie


5.4 Erosion, Deposition und Konsolidierung

Die Vorgänge Deposition und Erosion lassen sich in Abhängigkeit von der Sohlschubspannung beschreiben. Innerhalb dieses Gedankenmodells tritt Deposition dann auf, wenn die Sohlschubspannung eine kritische Depositionsspannung unterschreitet. Erosion tritt auf, wenn eine kritische Erosionsspannung überschritten wird. Wie DYER [30] angibt, übertrifft bei allen bis dato bekannt gewordenen Messungen die kritische Erosionsspannung die kritische Depositionsspannung.

Diese Vorgehensweise lehnt sich an die Beschreibung von Transportvorgängen nichtkohäsiver Sedimente an, welche auf SHIELDS [116] zurückgeht. Er hat diese, aufbauend auf seinen Versuchen in der Preußischen Versuchsanstalt für Wasser- und Schiffbau Berlin, 1936 in seiner Doktorarbeit veröffentlicht. Die Fortschritte der Strömungslehre durch NIKURADSE [88] erlaubten es SHIELDS, die Wandschubspannung in turbulenten Strömungen über rauen Sohlen mathematisch zu beschreiben und mit dem in seinen Experimenten beobachteten Bewegungsbeginn zu verknüpfen. Ausgangspunkt seiner Überlegung ist dabei, dass ein Sedimentpartikel zu rollen beginnt, wenn eine kritische Erosionsspannung überschritten wird. Die von SHIELDS gefundenen dimensionslosen Kennzahlen ermöglichen es, Laborversuche und Naturmessungen miteinander zu vergleichen. Der Bewegungsbeginn kann im SHIELDS-Diagramm auf einer Kurve dargestellt werden. Dichte und Durchmesser genügen zur Beschreibung nichtkohäsiver Sedimente.

Die Kohäsion zwischen den Partikeln bindiger Böden5.6 führt nun dazu, dass das einzelne Partikel nicht nur aufgrund seines Eigengewichtes am Boden liegen bleibt, wie die Annahme von SHIELDS voraussetzt, sondern hauptsächlich von den Kohäsionskräften am Boden gehalten wird. Die kritischen Erosions- und Depositionsspannungen liegen also viel höher, als aufgrund von Durchmesser und Dichte der Ursprungspartikel zu erwarten wäre.

Wie auch schon in Abschnitten 5.2 und 5.3 beschrieben, findet der Übergang von der fließfähigen Suspension zur Schlickschicht mit geringer Festigkeit und weiter zum bindigen Boden allmählich durch Entwässerung und Auflast statt. Der Fluid-Boden-Dualismus hat sich bei den nichtkohäsiven Sedimenten praktisch bewährt. Um kohäsive Sedimente in dieses gedankliche Schema einzufügen, ist ein Konsolidierungsmodell notwendig. Dieses beschreibt die kritische Erosionsspannung in Abhängigkeit der Vorgeschichte des Bodens, insbesondere von der Tiefe und der Ruhezeit.

Erosionsversuche an bindigen Böden werden im Labor so durchgeführt, dass der Boden auf dem Grund einer Wasserrinne eingebaut wird, oder dass er sich aus einer Suspension heraus absetzen kann. Danach wird das Wasser in Bewegung gesetzt. Die Konzentration im Wasser wird gemessen und erlaubt einen Rückschluss auf die erodierte Sedimentmenge. Nach einer gewissen Zeit kommt die Erosion zum Stehen, die Konzentration im Wasser, das im Kreis geführt wird, steigt nicht weiter, weil die nun freiliegenden, ursprünglich tieferliegenden Bodenschichten eine höhere kritische Erosionsspannung aufweisen. PULS [97] untersucht kohäsive Sedimente aus fünf Ästuaren rund um den Globus. Er stellt bei allen qualitativ den oben beschriebenen Vorgang fest. Beim Vergleich der verschiedenen Sedimente miteinander ergibt sich, dass die kritische Schubspannung Unterschiede von einer Zehnerpotenz und die Erosionsrate Unterschiede von zwei Zehnerpotenzen aufweist. SPORK [124] hat Versuche an mit Algen biologisch besiedelten Sedimenten durchgeführt und die Erhöhung der kritischen Erosionsspannung bis zum zweifachen Wert ermittelt. KRANENBURG und WINTERWERP [65] schlagen aufbauend auf ihren Messungen mit einem Entrainment-Modell eine verbesserte mathematische Beschreibung des Erosionsvorgangs vor.

Aufgrund der Vielzahl von im Labor schwer wiederholbaren Einflussfaktoren existieren eine Reihe von Versuchen, kritische Erosionsspannungen in-situ zu ermitteln. [114] und [48] berichten über den Einsatz selbstentwickelter Messgeräte. Numerische Simulationen, bei denen die empirischen Parameter des Erosionsmodells auf solchen Messungen abgestützt werden, sind bisher nicht bekannt geworden.

DYER [30] zitiert Versuche, bei denen Suspensionen aus kohäsiven Sedimenten im Kreis geführt werden. Bei Verlangsamung der Geschwindigkeit nimmt die Konzentration im Wasser ab. Daraus wird auf eine Depositionsrate5.7 geschlossen und eine kritische Depositionsschubspannung ermittelt. Bereits DYER geht davon aus, dass sich in diesen Versuchen auf dem Boden der Rinne eine weiterhin fließfähige Schicht hoher Konzentration gebildet hat, was auch aus den Überlegungen von WINTERWERP (siehe Abchnitt 3.1) zu folgern wäre. D. h. die Vorstellung, dass das aus den höheren Wasserschichten absinkende Sediment sofort zu Boden wird, ist fragwürdig.

Herkömmliche Stofftransport-Berechnungen [45] gehen von einer dualistischen Vorstellung aus. Es wird angenommen, dass das Sediment entweder im Wasser suspendiert fließt, oder am Boden liegend ruht. Das Berechnungsgebiet für die Strömungssimulation endet über dem Boden. Erosion und Deposition sind dann Massenströme über den unteren Rand des Berechnungsgebiets. Konsolidierung muss in einem separaten zweiten Berechnungsgebiet modelliert werden. Zur Ermittlung des ins Berechnungsgebiet über den unteren Rand eintretenden Massenstroms verwendet MALCHEREK [75] die folgenden Beziehungen:
\begin{displaymath}
\tau_{b}
\left\{\begin{array}{l}
<\tau_{d} :\\
> \tau_{d} ,...
...t \left(\frac{\tau_{b}}{\tau_{e}}-1 \right)
\end{array}\right.
\end{displaymath} (5.2)

mit
\(m\) Massenstrom bezogen auf die Sohlfläche,
\(w_{s}\) Sinkgeschwindigkeit der Sedimente,
\(c_{b}\) Sedimentkonzentration an der Sohle (bottom),
\(\tau_{b}\) vorhandene Sohlschubspannung,
\(\tau_{d}\) kritische Depositionsspannung,
\(e\) Erodibilitätskonstante und
\(\tau_{e}\) kritische Erosionsspannung.


HAMM et al. [45] haben mehrere numerische Modelle zur Simulation des Transports kohäsiver Sedimente miteinander verglichen. Die untersuchten Modelle basieren auf Gl. (5.2) oder vergleichbaren Ansätzen, die dahingehend übereinstimmen, dass zur Beschreibung drei (oder mehr) empirische Parameter benötigt werden: die kritische Erosionsspannung \(\tau_{e}\), die kritische Depositionsspannung \(\tau_{d}\) und eine Erodibilitätskonstante \(e\).

Das Konzept einer kritischen Depositionsspannung ist, wie oben bereits beschrieben, fragwürdig. Das Konzept einer kritischen Erosionsspannung steht im Widerspruch zum Sättigungskonzept, Kap. 3. Gemäß Gl. (5.2) würde beim Überschreiten der Erosionsschubspannung auch dann noch ein Massenstrom ins Wasser hineingegeben, wenn dieses seine Sättigungskonzentration längst erreicht hätte.
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Jens WYRWA * 2003-11-05