Die Vorgänge Deposition und Erosion lassen sich in Abhängigkeit von der
Sohlschubspannung beschreiben. Innerhalb dieses Gedankenmodells tritt
Deposition dann auf, wenn die Sohlschubspannung eine kritische
Depositionsspannung unterschreitet. Erosion tritt auf, wenn eine
kritische Erosionsspannung überschritten wird. Wie DYER [30]
angibt, übertrifft bei allen bis dato bekannt gewordenen Messungen die
kritische Erosionsspannung die kritische Depositionsspannung.
Diese Vorgehensweise lehnt sich an die Beschreibung von Transportvorgängen
nichtkohäsiver Sedimente an, welche auf SHIELDS [116] zurückgeht.
Er hat diese, aufbauend auf seinen Versuchen in der Preußischen Versuchsanstalt für
Wasser- und Schiffbau Berlin, 1936 in seiner Doktorarbeit veröffentlicht.
Die Fortschritte der Strömungslehre durch NIKURADSE [88]
erlaubten es SHIELDS, die Wandschubspannung in turbulenten Strömungen über
rauen Sohlen mathematisch zu beschreiben und mit dem in seinen Experimenten
beobachteten Bewegungsbeginn zu verknüpfen. Ausgangspunkt seiner
Überlegung ist dabei, dass ein Sedimentpartikel zu rollen beginnt, wenn eine
kritische Erosionsspannung überschritten wird. Die von SHIELDS gefundenen
dimensionslosen Kennzahlen ermöglichen es, Laborversuche und Naturmessungen
miteinander zu vergleichen. Der Bewegungsbeginn kann im SHIELDS-Diagramm auf
einer Kurve dargestellt werden. Dichte und Durchmesser genügen zur
Beschreibung nichtkohäsiver Sedimente.
Die Kohäsion zwischen den Partikeln bindiger Böden5.6 führt nun dazu, dass das einzelne
Partikel nicht nur aufgrund seines Eigengewichtes am Boden liegen bleibt, wie
die Annahme von SHIELDS voraussetzt, sondern hauptsächlich von den
Kohäsionskräften am Boden gehalten wird. Die kritischen Erosions- und
Depositionsspannungen liegen also viel höher, als aufgrund von Durchmesser und
Dichte der Ursprungspartikel zu erwarten wäre.
Wie auch schon in Abschnitten 5.2 und 5.3 beschrieben, findet
der Übergang von der fließfähigen Suspension zur Schlickschicht mit geringer
Festigkeit und weiter zum bindigen Boden allmählich durch Entwässerung und
Auflast statt. Der Fluid-Boden-Dualismus hat sich bei den nichtkohäsiven
Sedimenten praktisch bewährt. Um kohäsive Sedimente in dieses gedankliche
Schema einzufügen, ist ein Konsolidierungsmodell notwendig. Dieses beschreibt
die kritische Erosionsspannung in Abhängigkeit der Vorgeschichte des Bodens,
insbesondere von der Tiefe und der Ruhezeit.
Erosionsversuche an bindigen Böden werden im Labor so durchgeführt, dass der
Boden auf dem Grund einer Wasserrinne eingebaut wird, oder dass er sich aus einer
Suspension heraus absetzen kann. Danach wird das Wasser in Bewegung gesetzt.
Die Konzentration im Wasser wird gemessen und erlaubt einen Rückschluss auf die
erodierte Sedimentmenge. Nach einer gewissen Zeit kommt die Erosion zum
Stehen, die Konzentration im Wasser, das im Kreis geführt wird, steigt nicht
weiter, weil die nun freiliegenden, ursprünglich tieferliegenden
Bodenschichten eine höhere kritische Erosionsspannung aufweisen.
PULS [97] untersucht kohäsive Sedimente aus fünf Ästuaren rund um
den Globus. Er stellt bei allen qualitativ den oben beschriebenen Vorgang fest.
Beim Vergleich der verschiedenen Sedimente miteinander ergibt sich, dass die
kritische Schubspannung Unterschiede von einer Zehnerpotenz und die
Erosionsrate Unterschiede von zwei Zehnerpotenzen aufweist.
SPORK [124] hat Versuche an mit Algen biologisch besiedelten
Sedimenten durchgeführt und die Erhöhung der kritischen Erosionsspannung bis
zum zweifachen Wert ermittelt.
KRANENBURG und WINTERWERP [65] schlagen aufbauend auf ihren
Messungen mit einem Entrainment-Modell eine verbesserte mathematische
Beschreibung des Erosionsvorgangs vor.
Aufgrund der Vielzahl von im Labor schwer wiederholbaren Einflussfaktoren
existieren eine Reihe von Versuchen, kritische Erosionsspannungen in-situ
zu ermitteln. [114] und
[48] berichten über den Einsatz
selbstentwickelter Messgeräte. Numerische Simulationen, bei denen die
empirischen Parameter des Erosionsmodells auf solchen Messungen abgestützt
werden, sind bisher nicht bekannt geworden.
DYER [30] zitiert Versuche, bei denen Suspensionen aus
kohäsiven Sedimenten im Kreis geführt werden. Bei Verlangsamung der
Geschwindigkeit nimmt die Konzentration im Wasser ab. Daraus wird auf eine
Depositionsrate5.7 geschlossen und eine kritische Depositionsschubspannung
ermittelt.
Bereits DYER geht davon aus, dass sich in diesen Versuchen auf dem Boden der
Rinne eine weiterhin fließfähige Schicht hoher Konzentration gebildet hat, was
auch aus den Überlegungen von WINTERWERP (siehe Abchnitt 3.1) zu folgern
wäre. D. h. die Vorstellung, dass das aus den höheren Wasserschichten
absinkende Sediment sofort zu Boden wird, ist fragwürdig.
Herkömmliche Stofftransport-Berechnungen [45] gehen von einer
dualistischen Vorstellung aus. Es wird angenommen, dass das Sediment entweder
im Wasser suspendiert fließt, oder am Boden liegend ruht. Das Berechnungsgebiet
für die Strömungssimulation endet über dem Boden. Erosion und Deposition sind
dann Massenströme über den unteren Rand des Berechnungsgebiets. Konsolidierung
muss in einem separaten zweiten Berechnungsgebiet modelliert werden. Zur
Ermittlung des ins Berechnungsgebiet über den unteren Rand eintretenden
Massenstroms verwendet MALCHEREK [75] die folgenden
Beziehungen:
(5.2)
mit
Massenstrom bezogen auf die Sohlfläche,
Sinkgeschwindigkeit der Sedimente,
Sedimentkonzentration an der Sohle (bottom),
vorhandene Sohlschubspannung,
kritische Depositionsspannung,
Erodibilitätskonstante und
kritische Erosionsspannung.
HAMM et al. [45] haben mehrere
numerische Modelle zur Simulation des Transports kohäsiver Sedimente
miteinander verglichen. Die untersuchten Modelle basieren auf
Gl. (5.2) oder vergleichbaren Ansätzen, die dahingehend
übereinstimmen, dass zur Beschreibung drei (oder mehr) empirische Parameter
benötigt werden: die kritische Erosionsspannung , die kritische
Depositionsspannung und eine Erodibilitätskonstante .
Das Konzept einer kritischen Depositionsspannung ist, wie oben bereits
beschrieben, fragwürdig.
Das Konzept einer kritischen Erosionsspannung steht im Widerspruch
zum Sättigungskonzept, Kap. 3. Gemäß Gl. (5.2) würde
beim Überschreiten der Erosionsschubspannung auch dann noch ein Massenstrom ins
Wasser hineingegeben, wenn dieses seine Sättigungskonzentration längst erreicht
hätte.
folgt:5.5 Konsequenzen aus der hinauf:5. Eigenschaften kohäsiver Sedimente vorher:5.3 Rheologie Jens WYRWA * 2003-11-05